FrauenF*ckingFörderung

Ich habe diesen Text schon Ende letzten Jahres geschrieben. In einem Moment der Wut, nachdem mir der x-te Newsletter in die Inbox geflattert war, der mich fördern, fordern oder sonst wie optimieren wollte. Ich wusste noch nicht so genau, was ich mit dem Text anfangen soll, habe also erstmal abgewartet. Zwischen den Jahren habe ich das Buch ‚Wut und Böse‘ der wunderbaren Ciani-Sophia Hoeder gelesen. Und endlich fielen die letzten Puzzleteile an ihren Platz. Das letzte Jahr wurde der Begriff ‚mütend‘ geprägt. Müde und wütend. Ich habe beschossen, im neuen Jahr wütend und mutig zu sein. Das ist ein noch recht neuer Weg für mich…

Vor zwei Jahren habe ich mich selbständig gemacht mit der Vision, das Leben von Frauen an der Schnittstelle zwischen Erwerbsarbeit und Carearbeit ein kleines bisschen besser zu machen. Genau, es geht um das leidige Thema Vereinbarkeit. Je tiefer ich in die Materie eingetaucht bin – Chancengleichheit, Geschlechtergerechtigkeit, Equality, you name it – , umso stärker habe ich den Kopf geschüttelt. Je mehr ich an der Oberfläche gekratzt habe, umso fassungsloser wurde ich. Warum? Weil da seit Jahrzehnten eine riesengroße Verarschung läuft!

Wir Frauen lassen uns seit Jahrzehnten ganz herrlich verarschen. Von wem? Sucht euch was aus. Patriarchat. Kapitalismus. Eine Kombination. Seit Jahrzehnten redet uns dieses System nämlich erfolgreich ein, dass WIR diejenigen sind, die an sich arbeiten müssen. Dass WIR diejenigen sind, die optimiert werden müssen.  Das WIR uns anpassen müssen. Dass WIR gefördert werden müssen. Wir sollen lauter werden. Selbstbewusster. Besser in diesem, energischer in jenem. Was sie uns eigentlich sagen? Wir sollen mehr werden, wie Männer. Eigentlich ganz logisch. Die Arbeitswelt wie wir sie heute kennen, wurde von Männern für Männer konstruiert. Wir Frauen fanden da nicht statt außer als diejenigen, die den Männern ihre Erwerbsarbeit ermöglicht haben. Wir sollten aber nicht nur wie Männer sein. Sondern mehr. Männer plus. Denn unsere ganz hervorragenden weiblich zugeschriebenen Eigenschaften sollen wir – selbstverständlich kostenlos – auch mitbringen in die Teamarbeit. Harmonie. Organisation. Kümmern. Kaffee kochen. Besprechungsraum aufräumen.

Ich habe mich weiterbilden lassen zur Vereinbarkeitsmanagerin. Mit dem Ziel, das Thema dahinzubringen, wo wirkliche Veränderung stattfinden kann. Denn – machen wir uns nichts vor – hier auf Social Media alleine brechen wir diese Strukturen nicht auf. Dafür wollte ich also in die Höhle des Löwen. In die Unternehmen selbst. Seit Monaten betreibe ich in diesem Bereich Akquise. Ich. Super introvertiert. Wisst ihr, wie schlimm und wie schwer das teilweise für mich ist? Aber ich überwinde mich. Putze digital Klinken. Biedere mich an. Ich muss dabei ständig auf dieser ganz feinen Linie balancieren. Keinen vor den Kopf stoßen. Bloß keine Verantwortung zuweisen, oder gar ‚Schuld‘. Die Egos sind da sehr fragil. Ja, jeder will Veränderung. Aber bei sich selbst anfangen? Danke für das Gespräch. Wir melden uns.

Langsam, gaaanz langsam, fängt es an, im System zu ruckeln. Nicht nur ich bin wütend. Wir sind wütend. Und werden laut. Unangenehm. Wir weigern uns, weiter brav leise zu leiden. Man kann uns nicht mehr überhören. Nicht in der Politik. Nicht in der Wirtschaft.

Natürlich wird das aber nun auch wieder von Patriarchat und Kapitalismus instrumentalisiert. Es gibt hunderte Beratungsfirmen, Coaches, Initiativen, Männer und ja auch Frauen, die jetzt viel Geld damit verdienen, den Unternehmen dabei zu helfen, sich im Employer Branding und auf dem Markt positiv zu positionieren. Als divers, als inklusiv, als frauenfreundlich, als familienfreundlich. Denn immer mehr potenzielle Arbeitnehmer*innen legen genau darauf wert. Die Pakete inkludieren aber meist nicht mehr als heiße Luft, ein Siegel und ein paar schöne Worte.

In der Nachhaltigkeitsbranche nennt man das ‚Greenwashing‘. Greta Thunberg nennt es Blah Blah Blah. So tun, als ob. Symbolpolitik. Man will seine Kunden – die CEOs und Personalverantwortlichen – schließlich nicht damit vergraulen, in dem man sie mit ein paar harschen Wirklichkeiten konfrontiert. Wenn es um die eigene Rolle, die Unternehmenskulturen und Strukturen geht, dann geht es an die Substanz. Dann tut es auch mal weh. Und dann wird man vielleicht für den nächsten Auftrag nicht mehr gebucht.

Ich hab die Schnauze voll. Ich will keinem mehr Honig ums Maul schmieren. Es wird Zeit für die Wahrheit. Nicht die Frauen sind kaputt. Das System ist kaputt. Nicht die Frauen müssen repariert werden. Das System muss repariert werden.

So. Vielleicht schaufle ich mir mit diesem Beitrag endgültig mein berufliches Grab. Das wäre sehr schade, ich bin nämlich tatsächlich sehr gut in dem, was ich tue. Oder beweist mir jemand da draußen das Gegenteil? Und bringt den Mut auf, der Wut auf den Grund zu gehen und tatsächlich und ernsthaft Teil des Wandels hin zu einer neuen, nachhaltigen, erfolgreichen Arbeitswelt zu sein?

Wir brauchen nicht das tausendste Frauenförderprogramm. Wir brauchen Accountability. Allyship. Und dann endlich f*cking ACTION!